M Was heißt denn Weltanschauung?


Donnerstag, den 03. November 2011 um 18:18 Uhr |
Philosophie und Anthroposophie

Hier sollen Elemente einer zeitgemäßen Weltanschauung vorgestellt werden.
Der Begriff "Weltanschauung" hat insgesamt einen sehr negativen Charakter. Es wird heutzutage dabei etwas Sektiererisches assoziiert, etwas Enges, Verbissenes. -
Das rührt tatsächlich von den Erfahrungen her, die man "heutzutage" eben macht. Da gibt es Menschen, welche eine "eigene" Weltanschauung haben und die für die "anderen" eng wirken, je nach Temperamentslage eben auch "verbissen", wenn sie sich vielleicht nicht so schnell von bestimmten Gedanken ihrer Weltanschauung abbringen lassen, oder keine Einsicht für andere Weltanschauungen zeigen.
Hier möchte ich ersteinmal darauf hinweisen, dass es nicht Menschen gibt mit einer Weltanschauung, sondern dass jeder Mensch, weil er eben Mensch ist, eine Weltanschauung hat! Anders geht es gar nicht. -
Die Menschen dürfen dabei natürlich nicht bewertet werden. Als Mensch ist der Ureinwohner im Busch genau gleich viel wert, wie etwa der Papst oder der Präsident von Amerika.
Wenn man aber ihre Weltanschauungen miteinander vergleichen würde, dann würde es echt spannend werden! Man könnte Kriterien finden, um diese vergleichbar zu machen. Zum Beispiel könnte man fragen, mit wieviel "Begriffen" der jeweilige Mensch die Welt anschaut. - Was ist nun wieder ein Begriff?
Es sei nun ein ganz einfaches Beispiel konstruiert, um diesen Gedanken klar zu machen:
Wir nehmen einmal die Begriffe:  "Bevölkerung", "Wasserhaushalt", "Bodenschätze", "Klima" und "Vegetation".
Das sind schon "kompliziertere" Begriffe, welche in sich natürlich auch unterschiedlichste Ebenen haben: jemand, der seine Abschlussarbeit gerade über ein geographisches Thema gemacht hat, wird die obigen Begriffe reichhaltiger mit Unterbegriffen angefüllt haben, als ein normaler Schüler, der halbwegs im Schulunterricht aufgepasst hat.
Wenn man in der Schule nicht aufgepasst hat, dann wird man mit den einfacheren Unterbegriffen zurecht kommen.
Wer diese Seite schon etwas im Überblick hat, wird wissen, dass ich hier vorerst keinerlei Wertung im Hinterkopf habe. Die Bewertung kommt irgendwann schon, aber erst, wenn man ein Motiv hat: worauf soll es jetzt hinaus gehen, - dann kann ich bewerten, welche Begriffe mir dienlich sind und welche nicht. Jetzt geht es nur um die wertfreie Anschauung: man kann mit mehr oder weniger Begriffen durch die Welt gehen. Es gibt ja noch andere Kriterien als Begriffe, - zum Beispiel Wahrnehmungen.
Wir stellen uns nun drei Menschen vor, welche mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen eine Reise durch eine fremdes Land unternehmen:
- der erste sei derjenige, der gerade eine wissenschaftliche Arbeit über Landeskunde gemacht hat,
- der zweite sei jemand, der die normalen Grundbegriffe aus der Schule in sich trägt,
- der dritte sei jemand ganz ohne irgendwelche diesbezüglichen Begriffe, z.B. der Ureinwohner aus dem "Busch".
Auf ihrer Reise werden diese drei unterschiedliche Erfahrungen machen. Der erste hat also sehr viele Begriffe, wird aber deswegen weniger auf die Wahrnehmungen achten. Der zweite hat wenige Begriffe und auch wenig Wahrnehmung, der Dritte fast keine Begriffe, aber viel Wahrnehmung.
Der erste würde nach der Reise ungeheuer viel über das Land wissen: er hätte die unterschiedlichsten Menschen in unterschiedlichen Verhältnissen beobachtet, gesehen wie die Flüsse und Seen verteilt sind, oder ob Wassermangel droht, er hätte Fabriken oder Steinbrüche beobachtet, und könnte einiges über die Pflanzenwelt sagen. Die Menschen hätte er sicherlich noch nach einigen Einzelheiten befragt.
Der zweite würde Wälder, Wiesen oder Berge gesehen haben, hätte gemerkt ob es kalt oder warm war, ob er den Regenschirm gebraucht hatte oder nicht, hätte sich über die Andersartigkeit der Menschen und vielleicht die fremden Speisen gewundert.
Der dritte hätte sehr starke Erlebnisse gehabt, vielleicht beim Verkehrslärm, den er gar nicht kannte, Getümmel, Gerüche, - Menschen, die auf ihn einredeten. Viele Schrecksekunden bei ungewohnten Begebenheiten, Aufregung, Angst, - Ungewissheit, da der Überblick über die Reise fehlte, - Ungeduld und Sehnsucht, wieder in die gewohnten Verhältnisse zu kommen.
Jetzt stellen wir uns vor, alle drei kommen in ihre gewohnte Umgebung zurück und erzählen ihren Freunden von dem Land.
Jeder von ihnen wird ein schönes Bild beschreiben! Selbst die Geruchs-, Geschmacks- oder Geräuschwahrnehmungen werden in einem Bild vermittelt werden.
In diesem Bild, bildet sich das sich-bewusst-werdende Denken des Menschen ab. Man merkt, er selber ist auch in diesem Bild, wobei es hier natürlich graduelle Unterschiede gibt: der erste ist sehr wenig in seinem Bild, der dritte fast ausschließlich.
Wer jetzt noch den Verdacht hegt, ich würde eine Wertung impliziert haben, der stelle sich vor, die drei Personen, sollten jetzt einer Schulklasse von diesem Land erzählen! Bei welcher Person würde die Klasse am besten zuhören? - Natürlich eine rhetorische Frage!
- Selbstverständlich ist dies auch vom Alter abhängig, - aber das Wesentliche ist gesagt: egal, wie viel oder wie wenig Begriffe ein Mensch hat, er hat ein Bild von der Welt, und das genau ist seine Weltanschauung!
So liegt für jeden Menschen jederzeit die Aufgabe vor, sich über seine "Weltanschauung" Rechenschaft abzulegen. - "Warum denn?"- werden jetzt die meisten Leser verwundert fragen. Zur Beantwortung dieser Frage müssen aber die Grundbegriffe viel genauer untersucht werden, insbesondere das Verhältnis von Wahrnehmung und Begriff. - Warum gibt es diesen Gegensatz denn eigentlich. Das soll in der Vorstellung der erkenntnistheoretischen Schriften "Grundlinien einer goetheschen Weltanschauung", "Wahrheit und Wissenschaft" und "Die Philosophie der Freiheit" getan werden.
Aktualisiert (Samstag, den 25. Februar 2012 um 00:26 Uhr)